Tierwohl kostet
Die Fachstelle für Mutter-Kalb-Haltung (MUKA) will die Weichen dafür stellen, dass MUKA-Produkte nach einheitlichen Tierwohl-Standards produziert werden. Fachstellenleiterin Cornelia Buchli erklärt das Vorgehen.
Cornelia Buchli, die Fachstelle MUKA hat Anfang Jahr ein Projekt lanciert, um die Qualität in der Mutter-Kalb-Haltung zu sichern. Was ist das Ziel?
Wir wollen eine Milchproduktion fördern, in der das Kalb die ersten drei bis zehn Lebensmonate bei seiner Mutter verbringen kann. Das geht nur, wenn Produkte aus einer solchen Haltung in den Verkauf gelangen. Unser Qualitätssicherungskonzept schafft Transparenz dafür. Konsument:innen sollen sicher sein, dass ein Produkt, das sie kaufen, bestimmte Anforderungen ans Tierwohl und an die Tiergesundheit erfüllt.
Geschieht das über ein Label?
Für eine solch neue Produktionsart ist ein Label unumgänglich. Bei der Mutter-Kalb-Haltung trinkt das Kalb ungefähr ein Drittel der Milch seiner Mutter, die sonst in den Verkauf gehen würde. Der Milchpreis muss deshalb höher sein. Tierwohl kostet – und das bezahlt nur, wer dem Produkt vertraut. Wir arbeiten für das Konzept mit dem Verein Cowpassion zusammen, der bereits ein Label für MUKA-Käse betreibt. Es könnte in Zukunft aber weitere Labels geben, die unsere Qualitätskriterien einhalten.
Welche Kriterien sind das?
Die beiden wichtigsten sind eine Mindestdauer der Säugezeit von drei Monaten und eine tägliche Kontaktzeit zwischen Kalb und Kuh. Das Kalb soll nicht nur vom Euter der Mutter trinken dürfen, sondern auch genügend Zeit für soziale Kontakte mit ihr haben. Ein dritter wichtiger Punkt ist ein schonendes Vorgehen, wenn Mutter und Kalb nach einigen Monaten getrennt werden.
Gibt es weitere Vorgaben?
Uns ist es wichtig, dass sämtliche Tiere auf einem Betrieb in die MUKA-Haltung integriert sind – nicht beispielsweise nur Kälber, die zur Nachzucht vorgesehen sind. Und schliesslich brauchen, bei allen Kontakten zwischen Mutter und Kalb, die Kühe einerseits und die Kälber andererseits ihre Rückzugsmöglichkeiten.
Welche Vorteile haben die Betriebe vom Qualitätssicherungskonzept?
Es ist ein Schutz für alle, die eine solche Produktion im Sinn des Tierwohls betreiben. Sie können sicher sein, dass nicht jemand einen gleich hohen Milchpreis bekommt, der die Kälber nur wenige Tage oder Wochen bei der Mutter behält.

Besteht die Gefahr, dass weniger tierfreundliche Milchproduktionsarten sich als «Mutter-Kalb-Haltung» ausgeben?
Einerseits gibt es heute schon Haltungsformen, bei denen – ohne bösen Willen – Verwechslungsgefahr mit MUKA besteht. Zum Beispiel die ammengebundene Kälberaufzucht, bei der eine Ammenkuh und nicht die Mutter das Kalb aufzieht. Andererseits wird der MUKA-Milchpreis, sobald solche Produkte in den Verkauf kommen, wesentlich höher sein als der herkömmliche Milchpreis. Dadurch werden Betriebe in Versuchung geraten, Kälber früher von der Mutter zu trennen, um mehr Milch verkaufen zu können.
Wer stellt sicher, dass die Betriebe die Vorgaben einhalten?
Ein Teil des Konzepts ist der Aufbau eines Kontrollsystems. Dazu sind wir in Kontakt mit dem Kontrolldienst des Schweizer Tierschutz STS. Es ist wichtig, dass eine unabhängige Organisation die Kontrollen durchführt – und nicht wir als Fachstelle.
Wer bezahlt die Kontrollkosten?
In der Aufbauphase möchten wir die Kontrollen mit Fördergeldern finanzieren. Wenn später Label-Produkte im Laden erhältlich sind, muss das – wie bei anderen Labels – über den Verkaufspreis laufen. Das macht ein paar Rappen aus.

Zum Qualitätssicherungskonzept gehört auch der Wissenstransfer. Worum geht es dabei?
Unsere Fachstelle trägt Wissen zur Mutter-Kalb-Haltung zusammen und stellt es Landwirt:innen, Tierärzt:innen, Käser:innen und Konsument:innen zur Verfügung. Dazu gehören Schulungen, Beratungen oder Vernetzungsmöglichkeiten. Es dient der Qualität, wenn Bäuerinnen und Bauern, die auf MUKA umsteigen, auf Erfahrungswerte zurückgreifen können.
Welches Wissen sollen Konsument:innen zu MUKA vermittelt bekommen?
Wir wollen die breite Bevölkerung sensibilisieren. Vielen ist nicht bewusst, dass eine Kuh nur Milch gibt, wenn sie ein Kalb geboren hat. Wenn das Kalb vom Euter seiner Mutter trinken und von ihr die Kuhsprache lernen darf, ist das die natürlichste Form der Milchwirtschaft. Genau das ermöglicht MUKA.