Milchschafe und Lämmer vereint

Datum: 30. October 2025
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Auf dem Biohof Guggenbüel in Illnau ZH dürfen Lämmer bei ihren Mutterschafen aufwachsen. Sabrina Otto und Bruno Zähner praktizieren damit eine Schafhaltung, die es in der Schweiz noch kaum gibt – aus ethischen Gründen.

Rund 200 Milchschafe der Rasse Lacaune leben auf dem Biohof Guggenbüel in Illnau im Kanton Zürich. Und wo Schafmilch gewonnen, verarbeitet und verkauft wird, da gibt es auch Lämmer – denn nur Mütter geben Milch, das gilt bei Schafen genauso wie bei Kühen. Üblicherweise bleiben Lämmer in der Schafmilchproduktion nur wenige Tage nach ihrer Geburt auf dem Betrieb, danach werden sie an spezialisierte Mastbetriebe verkauft und später geschlachtet.

Auch Sabrina Otto und Bruno Zähner arbeiteten zuerst mit diesem System, als sie vor ungefähr 15 Jahren auf den Biohof Guggenbüel kamen. Aber die Trennung von Mutter und Lamm sei ein stetes Thema gewesen – zunehmend störten sich die beiden daran. «Wir fanden: Das Lamm gehört zur Mutter», erzählt Bruno Zähner. Und so begannen sie schrittweise, Lämmer auf ihre Betrieb selber aufzuziehen.

Rund 15 Wochen bei der Mutter

Zuerst von Hand, mit zugekaufter Kuhmilch. «Aber rasch erschien uns das unsinnig», sagt Zähner. Deshalb probierten sie ab 2019 für erste Lämmergruppen die muttergebundene Lämmeraufzucht aus. Dabei verbringen die Lämmer die ersten Lebenswochen bei ihrer Mutter un werden von ihr gesäugt, bis sie sich ausschliesslich von Gras, Heu und Stroh ernähren können. Die Trennung erfolgt im Alter zwischen 8 und 18 Wochen, wenn die Lämmer ein Körpergewicht von 20 Kilogramm erreicht haben.

Heute wachsen auf dem Biohof Guggenbüel praktisch sämtliche Lämmer bei ihren Müttern auf. «Selten kommt es vor, dass eine Aue ihr Lamm verstösst, dann säugen wir es mit dem Schoppen», sagt Zähner. Nach der Entwöhnung verbringen die Jungtiere einige weiter Wochen in Lämmergruppen in einem separaten Stallabteil. Wenn sie kräftig und robust genug sind, kommen sie auf die Weide – und im Sommer auf die Alp. Im Alter von ungefähr zehn Monaten werden sie geschlachtet.

«Für uns gehört zur Milchproduktion auch die Fleischproduktion», sagt Zähner. «Aber wir wollen die Verantwortung dafür selber tragen. Darum soll jedes Tier vom ersten bis zum letzten Tag auf unserem Betrieb leben.» Und auch an diesem letzten Tag ist es Otto und Zähner wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Sie bringen die meisten Lämmer zum Dorfmetzger und bleiben, wenn immer möglich, bis zuletzt bei ihnen. Den Grossteil des Fleischs vermarkten sie direkt im Hofladen.

Vitale, gesunde Lämmer

Die neue Haltungsform hat einen positiven Effekt auf die Tiergesundheit. Die Trennung nach wenigen Tagen bei der herkömmlichen Haltung, der Transport auf einen Aufzuchtbetrieb und die neue Umgebung bedeuten Stress für Junglämmer und erhöhen die Risiken für gesundheitliche Probleme. «Mit der muttergebundenen Lämmeraufzucht», sagt Zähner, «haben wir viel vitalere, gesündere Lämmer. Die Sterblichkeit ist deutlich gesunken.»

Diesen Tierschutz-Aspekt betont auch Cornelia Buchli von der Fachstelle für Mutter-Kalb- Haltung (MUKA). Der Ansatz des Biohofs Guggenbüel mit den Lämmern entspreche jenem der Mutter-Kalb-Haltung auf Rinderbetrieben und werde in der Schweiz noch kaum praktiziert, sagt sie. «Sabrina Otto und Bruno Zähner sind damit Pioniere in der Schafmilchproduktion und schaffen eine tierfreundlichere Haltungsform für Milchschafe und ihre Lämmer.»

Viel Aufwand…

Allerdings ist dieses Tierwohl nicht umsonst zu haben: Die 200 Mutterschafe auf dem Biohof Guggenbüel bringen jährlich rund 360 Jungtiere zur Welt – und zwar innert weniger Wochen. Otto und Zähner lassen alle Auen im Winter ablammen. «Wir haben uns für dieses System entschieden, weil unsere Schafe den Sommer auf unserer Alp verbringen», erklärt Zähner.

Aber: Fast 600 Schafe bedeuten viel Arbeit und benötigen viel Platz. Otto und Zähner mussten grosse Investitionen tätigen: Sie bauten die hofeigenen Ställe um und aus – und sie pachteten einen zusätzlichen Stall in der Nähe. Die beiden sind dankbar, dass die Stiftung ProTier kürzlich einen finanziellen Beitrag an die Umbaukosten bewilligt hat.

...weniger Milch

Kommt hinzu, dass bei der muttergebundenen Aufzucht weniger Milch für den Verkauf übrigbleibt, weil die Lämmer einen Teil trinken. Gegenüber der herkömmlichen Haltung verringere sich die Verkaufsmenge um ungefähr 30 Prozent, sagt Zähner. Zudem stellt er fest, dass die Eutergesundheit etwas abnimmt und dass die Muttertiere die Milch beim Melken weniger gern hergeben – sie halten sie für die Lämmer zurück.

Finanziell, sagt Zähner, sei die neue Haltungsform ein Spiessrutenlauf. «Wir können unseren Mehraufwand nicht auf die Kund:innen abwälzen – weder bei der Milch noch beim Fleisch.» Trotzdem bereuen er und Sabrina Otto ihren Entscheid nicht. «Es braucht Idealismus. Aber wenn wir im Stall stehen und die kerngesunden Lämmer und die zufriedenen Mutterschafe sehen, dann wissen wir: Es lohnt sich doch.»

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