Der Mann für die giftigen Fälle

Datum: 14. March 2025
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Ein Skorpion in der Waschküche oder eine Riesenspinne im Flugzeug? In diesen Fällen rückt Erich Hausammann aus – der Reptilien- und Gifttierspezialist der Kapo Zürich. Für den Notfall gibt es in der Schweiz einen grossen Schrank mit passenden Gegengiften.

Ganz behutsam hebt sie zuerst das erste, dann das zweite und das dritte Bein und tastet sich mit der Eleganz einer Tänzerin dem Unterarm entlang. Die Vogelspinne hat einen glitzernden Faden gesponnen, der ihr Sicherheit gibt. Eigentlich könnte man denken, dass eher der Mensch am Ende des Unterarms zittern sollte. Aber Erich Hausammann (51) bleibt ganz ruhig. Als Reptilien- und Gifttierspezialist bei der Kantonspolizei Zürich hat er fast jeden Tag mit gefährlichen Tieren zu tun. Heute hat er eine seiner Vogelspinnen und zwei kleine Königsnattern als Anschauungsbeispiele ins Justizgebäude Zürich mitgebracht.

Dass Hausammann keine Angst vor giftigen und gefährlichen Tieren hat, liegt auch daran, dass er selber über 60 Tiere verschiedener Arten zuhause hat. Unter seinem Dach leben 30 Schlangen, 4 Krokodile, verschiedene Spinnen, Varane, Giftechsen und viele weitere Arten. Angefangen hat alles im Alter von 10 Jahren mit seiner ersten Schlange. Dann kamen immer mehr Reptilien dazu. Für seine Tiere hat er eigens einen Hausteil gebaut und die Terrarien darin artgerecht eingerichtet. Das Wissen, das er sich durch sein Hobby aneignen konnte, nutzt er seit 30 Jahren auch in seinem Job.

Souvenir aus Costa Rica

Vor ein paar Wochen erreichte sein Team von drei Leuten ein Anruf: «Skorpion in der Waschküche!» Eine Familie kam von einer Reise aus Costa Rica nach Hause und fand beim Waschen den Skorpion zwischen den Kleidern. «Da kann man schon einmal erschrecken», sagt Hausammann. In solchen Fällen rückt der Experte oft mit seinem Notfallrucksack aus und fängt die Tiere ein.

«Diese Familie hatte den Skorpion aber bereits in einem Konfiglas eingesperrt und auf dem Polizeiposten deponiert. Da musste ich den Skorpion nur noch abholen.» Bei einem anderen Notruf hat ein Mann eine Schwarznarbenkröte gemeldet. Diese hatte er zwei Wochen nach einer Malaysiareise in seinem Wanderschuh entdeckt. «Die Kröte fühlte sich aufgrund des Mikroklimas offenbar ganz wohl da drin», erzählt Hausammann.

Muss Hausammann oder einer seiner Kollegen ein Tier einfangen, wie etwa die Schwarznarbenkröte, eine Schlange auf der Schuhablage oder eine 30 Zentimeter grosse Riesenkrabbenspinne im Flugzeug einer Schweizer Fluggesellschaft, nimmt er seinen Notfallrucksack mit. Darin befinden sich Spezialwerkzeuge wie Haken, ein Endoskop, Handschuhe für Gifttiere und Behälter, um die Tiere zu transportieren. Betäubungsmittel befindet sich nicht im Rucksack. «Das kommt bei uns nicht zum Einsatz. Solche Substanzen sind nur Tierärzt:innen vorbehalten. Wenn man weiss, wie man die Tiere anfassen muss, braucht man sie nicht zu betäuben.»
 

Ein Lager mit Gegengiften

Ist ein Tier bei uns heimisch, wird es an einem geeigneten Ort in der unmittelbaren Umgebung ausgesetzt. Kommt ein Tier bei uns in der Natur nicht vor, wie etwa der Skorpion aus Costa Rica, nimmt Hausammann das Tier mit und findet dafür eine geeignete Unterbringung. «Oft sind das Private, die bereits andere Tiere dieser Art halten und ein geeignetes Terrarium besitzen», sagt der Experte. Denn ein Tierheim für Reptilien und Gifttiere gibt es in der Schweiz nicht. Lediglich die eine oder andere Auffangstation mit entsprechend ausgebildetem Personal.

Im Notfallrucksack befinden sich auch eine Adrenalin-Spritze und Tabletten mit Antihistamin und Cortison. Für den Fall, dass er einmal gebissen werden sollte. Bei einem Biss oder Stich eines giftigen Tieres sterbe man oft nicht am Gift, sondern an den Fremdeiweissen, die mit dem Gift in den Körper gelangen. Mit einer Adrenalin-Spritze und den anderen Medikamenten könne man einen allfällig entstehenden Schock verhindern und gewinne so Zeit. «Aber die Spritze habe ich zum Glück noch nie gebraucht.» Für alle Fälle habe das Serumdepot Schweiz, wo Hausammann Mitglied ist, in Münsterlingen einen Vorrat an verschiedenen Gegengiften eingelagert. «Das gehört zu meinem Notfallkonzept, es kam aber bei mir auch noch nie zum Einsatz», sagt Hausammann.

Fängt Hausammann gerade keine Gifttiere ein, ist er Ermittler bei der Dienststelle Tier- und Umweltschutz und arbeitet unter anderem auch eng mit dem kantonalen Veterinäramt zusammen. Er kontrolliert etwa die Papiere für bewilligungspflichtige Tiere, wie giftige Schlangen oder grosse Reptilien. Und überprüft deren Unterbringung. «Die bewilligungspflichtigen Tiere findet man in der Tierschutzverordnung Artikel 89, und im Anhang 2, Tabelle 5 die Mindestanforderungen», sagt Hausammann ganz beiläufig. Sind die Terrarien gross genug? Hat der Halter die nötigen Ausbildungen? «Dabei sind die registrierten Halter:innen oft unproblematisch», weiss Hausammann. Probleme gebe es mehr bei Hinweisen von Dritten oder bei Zufallsfunden. Wenn die Polizei zum Beispiel ein Haus durchsuche und dabei ein Terrarium mit nicht gemeldeten Giftschlangen oder im schlimmsten Fall mit bereits toten Tieren findet. «Ich muss da professionell bleiben, aber das stimmt mich jeweils doch sehr nachdenklich.» In solchen Fällen werden die Tiere genau untersucht, und im Fall von Tierquälerei oder Haltung ohne Bewilligung werden die Halter:innen verzeigt.

Damit Hausammann möglichst wenig auf unerfahrene Halter:innen trifft, leitet er Schulungen für Private, aber auch für Rettungskräfte der Feuerwehr und der Sanität. Dafür hat er genug «Anschauungsmaterial», auf das er zurückgreifen kann. Wie heute die Vogelspinne und die zwei Königsnattern. Hat der Gifttierexperte ein Lieblingstier? Während sich die zwei kleinen Schlangen um seine Handgelenke winden, überlegt er kurz. «Ich mag Tiere, mit denen man interagieren kann. Etwa das Chamäleon, die Leguane oder die Krokodile.»

So verhalten Sie sich, wenn Sie ein unbekanntes Tier bei sich zuhause entdecken:

  • Nicht anfassen, wenn Sie das Tier nicht kennen.
  • Ein Foto ist für eine spätere Identifikation hilfreich.
  • Nur einfangen, wenn Sie das Tier einschätzen können.
  • Rufen Sie die Polizei unter 117 an. Die verbindet Sie mit den kantonalen Gifttierspezialisten.