Wildtiere gehören nicht in den Zirkus. Ihre Haltung ist sehr anspruchsvoll, da ihren arttypischen Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung getragen werden muss. Aus Tierschutzsicht ist eine artgerechte Haltung von Tieren wie Löwen, Tigern, Elefanten und anderen Wildtieren in Zirkusbetrieben nicht möglich. Ständige Standortwechsel, Lärm und die unnatürliche Nähe zum Menschen bedeuten für die Tiere Stress. Das Schweizer Tierschutzgesetz schützt neben dem Wohlergehen von Tieren auch ihre Würde. Damit legt es fest, dass Tiere nicht beliebig für die Interessen des Menschen zur Verfügung stehen. Im Sinne einer Güterabwägung müssen zwingend gewichtige Gründe vorliegen, um Tiere in ihren Bedürfnissen einzuschränken. Das Halten und Vorführen von Wildtieren im Zirkus aber dient einzig der Unterhaltung des Publikums. Dieser Zweck rechtfertigt die schweren Einschränkungen der Tiere in keiner Weise. Die Schweiz hinkt im internationalen Vergleich hinterher: Allein in Europa haben bereits 29 Länder das Mitführen von Wildtieren im Zirkus erheblich eingeschränkt oder sogar verboten, weltweit sind es deren 46.

Mehrere politische Vorstösse haben in der Vergangenheit darauf abgezielt, ein Verbot oder zumindest Einschränkungen für das Mitführen von Wildtieren in fahrenden Einrichtungen zu erreichen. Bisher leider vergeblich, denn die Politik bezieht sich immer wieder gerne auf die «strenge und detaillierte» Schweizer Tierschutzverordnung und lehnt eine gesetzliche Regelung ab. Zwar unterliegen Wildtiere im Zirkus derselben Tierschutzverordnung zur gewerblichen Wildtierhaltung wie andere Einrichtungen, beispielsweise Zoos. Doch für Zirkusse gibt es eine Ausnahmeklausel, die ihnen erlaubt, Wildtiere auch dann mitzuführen, wenn die Mindestanforderungen nicht eingehalten werden können. Konkret bedeutet das, dass die Fläche des Innengeheges bis zu 30% kleiner sein darf als die gesetzliche Mindestfläche und die Fläche des Aussengeheges lediglich der Fläche des Innengeheges entsprechen muss. Das ergibt beispielsweise eine Reduktion des Aussengeheges um 60% bei Löwen oder Tigern oder um 97% bei Steppenzebras. Der Bundesrat selbst hielt 2015 in seiner Stellungnahme zur Motion von Nationalrätin Isabelle Chevalley "Festlegung der in Zirkussen zulässigen Tierarten" fest: "In der Tat ist es fast unmöglich, Tiere dieser Tierarten auf Tournee so zu halten, dass die Tierschutzvorschriften erfüllt sind; dies wäre zu kostenaufwendig und schwer realisierbar." Trotzdem dürfen Zirkusse in der Schweiz weiterhin Wildtiere mitführen.

Argumente¹

Wildtiere sind nicht-domestizierte Tiere mit kaum erfüllbaren Haltungsansprüchen

Die Zähmung eines Tieres wird oft fälschlicherweise mit Domestizierung gleichgesetzt. Domestizierung beschreibt einen langwierigen Prozess, bei dem eine Tierart, klassischerweise durch Zucht, auf genetischer Ebene Veränderungen hinsichtlich Aussehen, Verhalten und Physiologie erfährt und so an die menschliche Umwelt angepasst wird. Zähmung hingegen führt lediglich zu einem erlernten Verhalten einzelner Tiere, etwa zu reduzierter Scheu derselben vor dem Menschen. Wildtiere bleiben also an ein vom Menschen unabhängiges Überleben in der Natur angepasst – mit entsprechenden arttypischen Bedürfnissen, die unter den restriktiven Haltungsbedingungen des Zirkuslebens schwer beeinträchtigt werden.

Beengte Platzverhältnisse und fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten

Die Tiere sind während der gesamten Zirkussaison in Transportwagen und mobilen Gehegen untergebracht, Rückzugs- und arttypische Beschäftigungsmöglichkeiten fehlen weitgehend. Durch Auftritte in der Manege kann der immense Bewegungsmangel nicht kompensiert werden.

Häufige Standortwechsel und belastende Transporte

Bis zu 50-mal im Jahr finden Transporte zwischen den Gastspielorten statt. Selbst bei routinemässig transportierten Tieren ist ein erhöhter Stresslevel festzustellen. Nicht nur während der Transporte selbst, sondern auch während des wiederkehrenden, langwierigen Auf- und Abbaus der Zelte verbringen die Tiere oft Stunden in den engen Transportwagen.

Dressur und Auftritte

Die in Zirkussen gezeigten Dressurnummern sind das Ergebnis fragwürdiger Trainingsmethoden, die auf menschlicher Dominanz und schlimmstenfalls auf Gewalt beruhen, auch wenn seitens der Dompteure gerne von „gegenseitigem Vertrauen“ gesprochen wird. Sie stellen keineswegs eine verhaltensgerechte Beschäftigung im bewegungsarmen Alltag der Tiere dar. Oft gehören unnatürliche und teilweise körperlich belastende Bewegungsabläufe zum Programm. Der Zirkusalltag lässt manche Tiere nachweislich psychisch oder physisch verkümmern. Auch der von Zirkusseite propagierte pädagogische Nutzen ist in Zirkusvorstellungen nicht gegeben, stattdessen werden Tiere oft vermenschlicht oder als Lachnummern präsentiert.

Trennung vom Muttertier

Um die Tiere später besser trainieren zu können, werden Jungtiere häufig sehr früh oder wiederholt von ihren Müttern getrennt. Nicht selten entwickeln diese Tiere im ausgewachsenen Alter Verhaltensstörungen. Handaufzuchten führen zu Fehlprägung der Jungtiere auf den Menschen, was mehrfach zu fatalen Unfällen geführt hat.

Fragwürdige Herkunft

In der Regel werden Wildtiernummern in der Schweiz von ausländischen Unternehmen für eine Saison gebucht. Aus Tierschutzsicht ist daher auch die Frage relevant, was mit den Tieren vor und nach einem Engagement für eine Saison passiert. Viele der eingekauften Nummern stammen aus Ländern, deren Tierschutzgesetzgebung weit unter den schweizerischen Standards liegt. Zucht, Haltung und Dressur der Tiere finden häufig unter inakzeptablen Bedingungen statt. Dazu kommt die Zucht von Wildtieren nach bestimmten äusserlichen Merkmalen, wie z.B. weisse Löwen und Tiger. Die weisse Farbe beruht auf einem Gendefekt und da diese Tiere so selten sind, ist ihre Farbe meistens die Folge von Inzucht.

Würdeverletzungen im Rahmen der Haltung und Vorführung

Das Schweizer Tierschutzgesetz schützt neben dem Wohlergehen von Tieren auch ihre Würde und setzt damit ein Verfassungsprinzip um. Dieses anerkennt, dass Tiere nicht beliebig für die Interessen des Menschen zur Verfügung stehen, sondern in erster Linie „um ihrer selbst willen“ da sind. Es müssen also gewichtige Gründe dafürsprechen, Tiere in ihren Bedürfnissen einzuschränken. Der Auftritt in einer Zirkusmanege ist kein solch gewichtiger Grund.

Schicksal ausgedienter Tiere: unbekannt

Über das weitere Schicksal ausgemusterter Wildtiere ist kaum etwas bekannt. Tatsache ist: Die Zucht entsprechender Tiere ist ein Geschäft und nur selten sind ausreichend Möglichkeiten vorhanden, alt gewordene Wildtiere unterzubringen, sei dies aus logistischen oder finanziellen Gründen.

Kein Artenschutz und kein edukativer Effekt

Ein Zirkus kann keinen Beitrag zum Artenschutz leisten. Durch die unnatürlichen Haltungsbedingungen und den engen Kontakt mit Menschen können die Tiere nicht mehr ausgewildert werden. Im Weiteren entspricht eine Zirkusvorstellung nicht der natürlichen Realität eines Wildtieres; somit fehlt es auch an einem lehrreichen Nutzen für Kinder und Erwachsene.

Keine Wildtiere im Zirkus – Jetzt erst recht!

Die Politik sieht immer noch keinen Handlungsbedarf? Wir schon. Im März 2019 starteten wir zusammen mit Vier Pfoten und Tier im Recht die neue ausdrucksstarke Kampagne "Keine Wildtiere im Zirkus – jetzt erst recht!" Die zwei Kampagnenbilder – realisiert durch eine Zusammenarbeit von Viva Colores Schweiz GmbH und Nachtlicht Creative GmbH – sollen unserer Forderung noch einmal Nachdruck verleihen und die Bevölkerung über das lebenslange Leid der Wildtiere im Zirkus aufklären, damit endlich ein gesetzliches Verbot umgesetzt wird.

Was kann ich tun?

Solange sich die Politik zu keinem generellen Wildtier-Verbot durchringen kann, liegt es an jeder und jedem Einzelnen von uns, ein Zeichen gegen Wildtiere im Zirkus zu setzen.

  • Verzichte auf den Besuch von Zirkusvorführungen mit Wildtieren.
     
  • Erkläre Deinen Kindern, dass wilde Tiere im Zirkus leiden und warum.
     
  • Informiere auch Dein Umfeld über das Leiden der Wildtiere im Zirkus. Mit fundierten Argumenten fällt es leichter, das Gespräch zu suchen.
     
  • Mach die örtliche Presse vor einem Zirkusauftritt auf die Probleme und Aspekte des Tierschutzes aufmerksam.

Petition "Keine Wildtiere im Zirkus!"

Da die Politik keinen Handlungsbedarf sah, lancierte ProTier 2016 zusammen mit den Tierschutzorganisationen Vier Pfoten und Tier im Recht die Petition "Keine Wildtiere im Zirkus!", die ein Verbot von Wildtieren in fahrenden Einrichtungen anstrebte. Im März 2018 konnten wir dem Bundesrat 70'676 Unterschriften überreichen. Die Antwort vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) kam zwar prompt, war aber leider abschlägig. Die Schweizer Tierschutzverordnung sei sehr "streng und detailliert", argumentierte das BLV einmal mehr, aus diesem Grund werde dem Tierwohl der Wildtiere im Zirkus genügend Rechnung getragen und ein Verbot sei nicht nötig.