Unterwegs mit der Rehkitzrettung

Datum: 22. July 2022
Autor:

Sie sind klein, agil und ausgerüstet mit modernster Technologie – Drohnen. Dass sie unter Umständen auch Leben retten können, beweisen Sandra Kuratli und Livio Son vom Verein Rehkitzrettung Schweiz. Seit dieser Saison fliegen sie mit einem neuen Multikopter «Bambi-Rettungsflüge» und erspähen Rehkitze im hohen Gras. ProTier durfte bei einem Flugeinsatz dabei sein. 

Das korrekte Handling dieser sensiblen Drohne muss geübt werden. Es bedarf nebst einer Ausbildung einiger Routine, um sie auch fachmännisch bedienen zu können, und das dazu noch bei völliger Dunkelheit. Da das Gras im Toggenburg zurzeit noch nicht ganz so hoch ist wie im Linthgebiet, treffe ich Sandra Kuratli um 04.30 Uhr auf einem Hof in Schänis. Dort wartet bereits Livio Son von der Rehkitzrettung Linthgebiet auf uns. Er hat 2018 die Drohnenpilotenlizenz DUE absolviert und ist sowohl Mitglied im Schweizerischen Verband Ziviler Drohnen SVZD als auch im Verein Rehkitzrettung Schweiz. Er kennt sich bestens aus und ist in regem Kontakt mit Sandra Kuratli, um sie bei ihren Anfängen zu unterstützen. 

In luftiger Höhe

Als wir zum ersten Feld kommen, ist die Drohne von Livio Son bereits in der Luft. In der Dunkelheit hört man ihr leises Summen und durch die Lichter kann man sie lokalisieren. Sie fliegt in rund 100 m Höhe und mit einer Geschwindigkeit von 4-5 m/s. Gespannt schauen wir auf das Tablet, das die Bilder direkt von der Wärmebildkamera überträgt. Selbst die in hohem Gras versteckten Kitze werden durch die Wärmesignatur sichtbar. Man erkennt sie durch eine unterschiedliche Farbe oder durch einen hellen Punkt auf dem Display.   

Die Flüge finden so früh am Morgen statt, weil sich dann die Felder von der Sonne noch nicht aufgewärmt haben. Das würde das Orten der Tiere enorm erschweren, da dann auch Steine etc. aufgewärmt werden und die Wärme abstrahlen.   

Das Überfliegen dieses Felds dauert nur wenige Minuten und es ist klar, dass hier keine Rehkitze abgelegt wurden. Das bedeutet für den Bauern freie Fahrt zum Mähen. Falls ein Rehkitz gefunden wird, kommt eine Holzkiste zum Einsatz, die über das Kitz gelegt wird. Dies, da das Rehkitz nicht von blosser Hand berührt werden darf, da ansonsten die Mutter ansonsten den eigenen Geruch nicht wiedererkennt und ihr Kitz verstösst. Zusätzliche Markierungen wie beispielsweise eine Fahne sorgen dafür, dass das Rehkitz beim Mähen nicht übersehen wird. Danach wird die Holzkiste wieder entfernt, damit die Mutter ihr Junges anschliessend wieder abholen kann. 

So packen wir alles ein und fahren zu weiteren bestellten Feldern, die abgeflogen werden müssen. Auch hier fliegt die Drohne auf knapp 100 m Höhe, und am Rand eines Bachs kann man eindeutig einen weissen Punkt erkennen. Dem Kenner ist sofort klar, dass das kein Kitz ist, aber wir wollen trotzdem sehen, was sich da im Gras versteckt. So lässt Livio die Drohne über dem Punkt immer weiter absinken, bis uns auf dem Tablet zwei leuchtende Augen entgegenblicken: Es ist eine Katze, die sich wohl wundert, was da für ein surrendes Ding über ihrem Kopf fliegt.  Auch in diesen Feldern ist die Luft rein und die Wiesen sind bereit, um gemäht zu werden.  

Warum eine Rehkitzrettung per Wärmebilddrohne?  

Es gibt verschiedene Methoden, die wirksam sind, damit die Rehgeiss ihre Jungtiere aus den Feldern holt. Zum einen kann man die Felder zu Fuss abgehen, was bei grösseren Feldern ein enormer Aufwand ist, zum andern kann man die Felder verblenden, was so viel heisst wie «vertreiben mit Scheuchen». Zudem gibt es die Methode, sie zu verwittern, was «vertreiben mit Duftstoffen» bedeutet.   

Diese Methoden sollten trotz Wärmebildflügen angewendet werden. Der Vorteil einer Wärmebilddrohne ist jedoch, dass kein Gras unnötig niedergetrampelt werden muss, es geht wesentlich schneller und ist dennoch sehr effizient. Die Suchflüge werden immer zu zweit oder dritt durchgeführt, da Kitze ausschliesslich von zuständigen Revierjägern aus den Feldern geholt werden dürfen. So begleiten uns auch an diesem Morgen zwei Jäger.   

Alle diese Einsätze sind aber nur durch das unermüdliche, ehrenamtliche Engagement von Sandra, Livio und vielen weiteren freiwilligen Helferinnen und Helfern der Rehkitzrettungen möglich. Danke, dass ihr so viele wertvolle Tierleben rettet und dass ich euch bei einem Rettungsflug begleiten durfte!  

So läuft eine Rehkitzrettung ab:

Quelle: DJI Enterprise (YouTube)

So hilft ProTier

Um die Rehkitze aus grosser Höhe zu erkennen, ist der Einsatz eines Multikopters mit Wärmebildkamera notwendig. Bei der Anschaffung dieses kostspieligen Geräts hat ProTier die Rehkitzrettung Toggenburg finanziell unterstützt. Ein Engagement, das ohne unsere Gönner:innen nicht möglich wäre – Sie möchten mit uns weitere solch tolle Projekte unterstützen? Danke, dass Sie dies mit einer «ProTier hilft»-Spende tun.