Lebenshof Hashüsli – ein heilsamer Ort umgeben von Wald

 

Von Florian Sisolefski

Oft sind es die unscheinbaren und alltäglichen Dinge im Leben, die einen kaum bemerkten, aber dennoch elementaren Beitrag leisten. Nur wenn diese bewusst wahrgenommen werden oder sie verlustig gehen, rücken sie urplötzlich in den Fokus und wir bemerken ihre Wichtigkeit. Man könnte diese "Dinge", seien sie nun sachlicher, personeller oder anderer Natur, mit Fug und Recht als die stillen Helden und Heldinnen des Alltags betiteln.

Eine solche stille Heldin, die sich uns erst vor ein paar Monaten gezeigt hat, aber bereits seit mehr als fünf Jahren tagtäglich Enormes leistet, ist Bea Lehmann. Im Jahr 2016 bezog Bea mit ihren Pferden Sämi und Shannon einen kleinen, gemütlichen und von Wald umgebenen Hof im Oberaargau.

Aufgrund der neu gewonnenen Möglichkeiten auf dem Hof und wegen ihres riesigen Herzen und der Chance, Leid beenden und Glück unterstützen zu können, gab sie im Lauf der Zeit immer mehr kranken, vernachlässigten und zum Teil von Gewalterfahrungen geprägten Tieren ein Zuhause. Mittlerweile sind es 14 Tiere, die auf dem Lebenshof Hashüsli ihre Heimat gefunden haben und es wohl kaum besser haben könnten.

"Die Tiere bekommen tagtäglich ihre wohl­verdiente und liebevolle Aufmerksamkeit".

Trotz des 90%-Pensums als Pflegefachfrau in einer Akutpsychiatrie, dem Bea in Nachtschichten nachkommt, um sich, den Hof und ihre Tiere finanzieren zu können, bekommen alle Tiere ihre ganz individuelle Versorgung. Diese ist derzeit noch notwendig, schliesslich kommen alle mit einer Geschichte auf ihren Hof, die eine medizinische und seelische Versorgung notwendig macht.

Neben ihren sanften Riesen Sämi und Shannon, von denen der eine eine schwere Lungenerkrankung, Borreliose und Arthrose hat und der andere als ehemaliger Zuchthengst verschiedenste Traumata durchlebt und seine Knochenkrankheit sowie Magengeschwüre überstanden hat, bekommen zahlreiche weitere Individuen tagtäglich ihre wohlverdiente und liebevolle Aufmerksamkeit.

Zu diesen zählen die drei Schweine Oskar, Woody und Elvis. Ihre Rettung brachte bei Bea eine grosse Faszination und Liebe für Schweine ins Rollen. Mit ihrer Sensibilität, Aufmerksamkeit, Intelligenz, aber auch Freundlichkeit und Neugier, haben sie Beas Herz im Sturm erobert und ihre ganz besondere Beziehung zu Schweinen massgeblich geprägt. Auch deren Artgenossen Finn und Valentin konnte sie nach einem Notruf nicht im Stich lassen. Es war erschreckend zu sehen, wie die beiden völlig unterernährten, verängstigten Schweinchen in eine dunkle Stallecke auf Kuhmist weggesperrt waren. Nach mehreren Monaten waren ernsthafte Gesundheitsprobleme überstanden, Beissattacken wurden seltener und sie begannen Vertrauen zu fassen.

Die Intelligenz, Freundlichkeit, Neugier und ihre lustigen Aktionen begeistern nicht nur Bea tagtäglich, sondern auch alle grossen und kleinen Besucher des Lebenshofs. Mit Runa und Sefora kamen diesen Herbst die beiden ehemaligen Mast- und später Casino-Glücksschweine in die Familie. Wenn es um die Rettung solcher von vielen unterschätzten und missverstandenen Lebewesen geht, ist Bea einfach da und versucht Hilfe zu leisten, auch wenn es bedeuten mag, dass schnell mehrere hundert Meter Zaun aufgestellt und kontinuierlich Integrations- und Traumaarbeit geleistet werden müssen. Wahnsinnig beeindruckt von dieser Geduld, Ausdauer und Energieleistung, die Bea tagtäglich grösstenteils allein verrichtet, frage ich sie, woher sie diese Power nimmt. Kurz bevor sie ansetzt, die Frage zu beantworten, erfüllt bereits ein Strahlen ihr Gesicht, das mir einen ersten Eindruck von der bevorstehenden Antwort und der Intensität ihrer Kraftquelle liefert.

Dann berichtet sie mir von den zahlreichen Wandelgeschichten, die ihre Tiere durchlebt haben, und wie es sie beeindruckt, dass diese, trotz der schlechten Erfahrungen, helfenden Menschen immer wieder eine Chance geben und sich ihnen gegenüber so loyal, grossherzig und geduldig präsentieren. Es sind auch die idyllischen Momente, die ihr Kraft geben und ihr zeigen, dass die Tiere wichtige Lehrmeister eines friedlichen, natürlichen und symbiotischen Lebens sind. Wenn beispielsweise die Rehe gemeinsam mit den Schweinen grasen, wenn das Pony Jimmy wie jeden Abend vor dem Weg in den Stall bei den Schweinen vorbeigeht, um gute Nacht zu sagen, oder aber wenn die Raben auf dem Zaun sitzen, mit ihren Schnäbeln an den Nüstern der Ponys, und mit ihnen kommunizieren.

Kraft und Motivation schöpft Bea aber auch aus der Hoffnung, dass die Millionen missverstandenen und leidenden sogenannten Nutztiere in der Schweiz, denen aktuell noch nicht geholfen werden kann, in Zukunft ebenfalls die verdiente Achtsamkeit des Menschen erfahren.

"Alles Grosse fängt im Kleinen an", so Bea. Neben den zahlreichen positiven Momenten auf ihrem Idyll, ist diese Hoffnung ein weiterer grosser Treiber für ihr Weitermachen.

"Erst vor Kurzem wurde Beas Kräftereservoir erneut auf die Probe gestellt"

Im Frühjahr sah sie die zwei vernachlässigten und kranken Mastkälber Hanna und Hope, und versprach ihnen, sie zu retten. Mastkälber sind ungewollte Nebenprodukte in Milchkuhbetrieben, da es ohne Kalb keine Milch gibt. Weil nur wenige Kälber als Milchkühe nachgezogen werden und sie sich aufgrund ihrer selektiven Züchtung zu einer erhöhten Milchleistung nicht zur Mast eignen, werden die männlichen und ein Teil der weiblichen Tiere bereits nach vier bis fünf Monaten geschlachtet. Sie werden kurz nach der Geburt von ihren Müttern getrennt und in kleinen Boxen oder Kälberiglus, ohne die so wichtigen Mutter-Kind-Kontakte, gehalten und in wenigen Monaten auf ca. 150 kg Schlachtgewicht gemästet.

Hope war ein kleines, wenige Tage altes Kälbchen, das von der Mutter getrennt und bei Minus 10 Grad in ein Iglu am Strassenrand des Dorfs verbannt wurde. Das Schicksal dieser verlorenen Tierseele liess Bea nicht mehr schlafen und beim ersten Besuch am Iglu versprach sie Hope, sie nicht im Stich zu lassen. Versuche, für Hope einen geeigneten Lebensplatz zu finden, scheiterten. Der Entscheid, sie nach Hause zu holen, brachte auch Hanna mit ins Glück. Hope brauchte eine Gefährtin, und die fand sich im Mastkalb Hanna, das schmächtig und kränklich abzugeben war. Zwei kleine Kälber, eine grosse Aufgabe für Bea.

Die ersten Monate waren hart. Die beiden Kälber litten nicht nur unter der Isoliertheit, der mangelnden Liebe und Zugehörigkeit in ihren ersten Lebenstagen und -wochen, sondern sie hatten auch mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen. Beide hatten Schluckprobleme, Flechten und waren sogenannte Pansentrinker. Diese Fehlleitung der Milch in den Pansen wird durch Stress, falsche Ernährung, falsches Tränkmanagement oder andere Kälberkrankheiten begünstigt und führt zu Bauchschmerzen, Schwäche, Müdigkeit und einem schlechten Allgemeinbefinden. Doch mit Beas typischer Ausdauer, ihrer liebevollen Art und dank einiger Tierarztbesuche haben sich beide in den letzten Monaten prächtig entwickelt.

Da Bea jedoch keinen Innenstall hatte, um die beiden Kälber im Winter unterzubringen, hatte sie sich schon im Frühjahr frühzeitig um ein nahegelegenes Winterquartier gekümmert. Vor Kurzem kam nun die Nachricht, dass dieses nicht bezogen werden kann. Weil es jetzt schnell gehen musste, entschloss sich Bea, selbst eine Winterunterkunft auf ihrem Hof für Hanna und Hope errichten zu lassen. Dafür musste sie sich allerdings finanziell weit aus dem Fenster lehnen.

Für ProTier war es selbstverständlich, sie finanziell dabei zu unterstützen und damit sicherzustellen, dass es Hanna und Hope in dem herannahenden, aber auch in den zukünftigen Wintern bei Bea und den anderen glücklichen Seelen auf dem Lebenshof Hashüsli warm und gemütlich haben.

Wir sind sehr dankbar für ihre unschätzbar wertvolle und wichtige Arbeit als stille Heldin in den letzten Jahren und freuen uns umso mehr, sie nun dabei unterstützen zu können, dass ihre Arbeit die Wertschätzung und Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient und zugleich die Gründe für das Leid der zahlreichen Tiere in der Schweiz und der Welt mehr in den Fokus rücken.