Mini Zoo Zahir – ein sicheres Zuhause für gerettete Tiere

 

Von Martina Futterlieb

"Ein einzelnes Tier zu retten verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt verändert sich für dieses eine Tier". Seit über 20 Jahren führen Anita Hirschi und ihr Team ihren kleinen Zoo nach diesem berührenden Zitat.

Der Mini Zoo Zahir befindet sich in der wunderschönen Landschaft des Berner Juras, am Fusse der Juraweiden. An diesem kühlen Morgen im Mai begrüsst mich Anita Hirschi am Eingang und bittet mich noch einen kurzen Moment zu warten. Sie wirkt angespannt, und als sie ein paar Minuten später zurückkommt, erfahre ich auch, wieso. Sie hat einen Notfall bei den Pferden, der 23-jährige Hengst "Kublai Kahn" hat seit heute früh ein geschwollenes Hinterbein und starke Schmerzen. Es ist Pfingstmontag und einen Tierarzt zu finden, der vorbeikommt, war schwierig. 

Aber jetzt hat sogar ihr "Lieblings-Pferdetierarzt" zugesagt und sie entspannt sich ein wenig. Ich betrete das Gelände und werde sogleich von mehreren Hunden begrüsst, unter ihnen zwei wunderschöne weisse Schäfer, die vom Spielen nie genug kriegen. "Sie sind noch jung und wirklich Gold wert", sagt Anita, "weil sie lieb zu den Besuchern sind, aber hervorragende Wachhunde. Hier am Waldrand haben wir öfters nächtlichen Besuch von Füchsen oder sogar Luchsen, da brauche ich zuverlässige Hunde".

Anita ist diplomierte Wildtierpflegerin und bietet auf ihrem Hof allen möglichen Tieren Zuflucht, die nicht mehr gewollt sind. Wir besuchen Baumstreifenhörnchen, exotische Vögel in allen Farben und Grössen, Schildkröten, Hühner, Gänse, Pfauen, Hasen, Meerschweinchen, Kaninchen, Minipigs, Ponys, Hunde, Katzen, Pferde, Emus, Kattas, Kamele, Ziegen, Schafe, Yaks und diverse Reptilien.

"Wir versuchen möglichst alles selbst zu machen, um die Kosten tief zu halten", sagt Anita. "Wenn wir eine alte Voliere günstig bekommen, aber selbst demontieren und transportieren müssen, dann tun wir das auch". Die ganze Anlage ist sehr liebevoll und etwas verspielt gestaltet, immer wieder entdecken wir hübsche Kleinigkeiten wie Töpfe mit Blumen, Dekorelemente oder einen Trinkwasserbrunnen im Schildkrötengehege. Die Stallungen und Gehege sind nicht mehr neu, trotzdem wirkt im Mini Zoo Zahir alles sehr gepflegt und vor allem die Bereiche, wo die Tiere leben, sind alle top gereinigt. Anita bildet zurzeit zwei Lehrlinge zu Wildtierpflegern aus. "Es ist mir sehr wichtig, dass meine Mitarbeiter sorgfältig und sauber arbeiten", sagt sie.

Seit über 20 Jahren führt Anita Hirschi ihren kleinen Zoo mit bewundernswerter Disziplin
1997 konnte Anita den kleinen Hof in Lamboing erwerben. Am Anfang hatte sie ihre Hunde, dann kamen Pferde dazu und mit der Zeit wurde daraus der Mini Zoo mit ungefähr 200 Tieren, den ich heute besuchen darf. Um das kleine Tierparadies zu finanzieren, arbeitet Anita 100% als Pharmaspezialistin. Ihr Tag beginnt früh, endet spät und ist genau durchgeplant. Vor der Arbeit macht sie mit ihren Mitarbeitenden den Morgenrundgang und geht den Tagesplan durch. Dann fährt sie zur Arbeit. Nach sechs Stunden ist Schluss fürs Erste, sie fährt zurück, gegessen wird eine Kleinigkeit zwischendurch. Am Nachmittag hilft sie auf dem Hof mit, denn der Mini Zoo Zahir ist täglich ab 14.00 Uhr für Besucher geöffnet. Sind abends alle Tiere versorgt und wenn nötig im Stall, erledigt sie noch den Rest ihres 100%-Pensums, den "Bürokram", wie sie sagt. Gegen 22.00 Uhr ist ihr Tag dann endgültig zu Ende – sofern es keine Nachtschicht bei den Tieren braucht. 

Eine tierische Liebesgeschichte
Wir kommen zu den Kattas und ich merke sofort, dass sie für Anita ganz spezielle Tiere sind. "Es sind drei Jungs und ihre Geschichte muss ich dir jetzt noch erzählen", sagt sie und strahlt. "Ursprünglich hatte ich zwei kastrierte Jungs aus einem Tierpark übernommen, sie wurden vom Rest der Gruppe ausgestossen und "gemobbt". Kurz darauf wurde ich dann von einem anderen Tierpark angefragt, ein Weibchen aufzunehmen, das in ihrer Gruppe das gleiche Schicksal erlitt. Wenn zu viele Lemuren auf wenig Raum zusammenleben müssen, kommt es häufig vor, dass einige schwächere Tiere von den übrigen geplagt werden. Natürlich sagte ich sofort zu und das Mädchen kam zu uns.

Am ersten Tag sass sie einfach nur da wie ein Häufchen Elend und schaute vor sich auf den Boden. Als es Abend wurde, sass sie immer noch ganz allein im Stall und die beiden Buben betrachteten sie aus einiger Distanz. Auf einmal erhob sich eines der Männchen, ging zu ihr rüber und setzte sich neben sie. Zuerst geschah nichts, aber dann legte er seinen Arm um ihre Schultern und ich konnte förmlich sehen, wie ihr ein riesiger Stein vom Herzen fiel – ihr Seufzer der Erleichterung war beinahe hörbar, so gross war er. Sie war endlich an einem Ort angekommen, wo sie willkommen war. Ab da war sie akzeptiert und als ich ein paar Wochen später beim Morgenrundgang vorbeischaute, traute ich meinen Augen kaum: Sie hatte ein Baby im Arm! Sie war schon trächtig zu uns gekommen und wir hatten es nicht bemerkt. Das Baby war ein Junge und wurde im richtigen Alter natürlich kastriert. Leider litt die Mama an den Folgeschäden eines Fuchsbandwurmbefalls und ist in der Zwischenzeit verstorben, aber die drei Buben fühlen sich in ihrer Junggesellen-WG pudelwohl".

Der viele Schnee diesen Winter hat Spuren hinterlassen.
Im Moment dürfen die Kattas nicht in ihren Aussenbereich, sondern nur auf den vergitterten "Balkon", denn der immense Schneeberg diesen Winter hat das Netz über ihrem Aussengehege zerrissen. "Ein 400m² grosses Netz zu finden war nicht einfach, aber jetzt ist es bestellt und Anfang Juni wird es montiert. So ein grosses Netz ist teuer und wir suchen noch nach Spenden, um es zu finanzieren", sagt Anita.

Das Telefon klingelt – der Tierarzt ist da
Wir unterbrechen unseren Rundgang und begeben uns in den Pferdestall. "Kublai Kahn" steht ruhig da, aber man sieht ihm die Schmerzen an. Die Augen sind aufgerissen, der Atem geht schnell. Sein Bein ist stark geschwollen und er belastet es nicht. Der Tierarzt untersucht ihn und kann zum Glück Entwarnung geben. Venenentzündung lautet die Diagnose. Vermutlich komme sie von einer langwierigen Mauke, einer bakteriellen Entzündung in der Fesselbeuge. Die Venenentzündung sei sehr schmerzhaft, könne aber gut behandelt werden. "Kublai Kahn" bekommt eine Antibiotika-Spritze und Schmerzmittel. Anita ist sichtlich erleichtert, denn sonst sei er sehr fit für sein Alter, sagt sie.

Alle Pferde in ihrem Stall wären schon lange geschlachtet worden, wenn sie nicht bei Anita hätten einziehen dürfen. Viele von ihnen sind Araber, mit denen die Besitzer nicht zurechtkamen oder die nicht zum Show-Pferd taugten. So ein spritziges Vollblut sei halt nicht für jeden Reiter das Richtige. Kommen die Leute mit ihren Pferden nicht klar, liegt die Schuld natürlich beim Pferd und der Gang zum Schlachthaus ist naheliegend. Nebenbei rettet Anita jedes Jahr im Herbst drei bis vier Freiberger-Schlachtfohlen und vermittelt sie an gute Plätze. 

"Jungtiere werden fast ausschliesslich als Publikumsmagnete gezüchtet"

Eines ihrer wichtigsten Ziele mit dem Mini Zoo Zahir ist die Sensibilisierung von Menschen für die Tierschutzaspekte der "Zuchtprogramme" von Zoos und Tierparks. Jungtiere werden gerne gezüchtet, weil sie als Publikumsmagnete Rekord-Besucherzahlen bewirken. Diese süssen Tierbabys werden aber irgendwann gross und meistens müssen sie dann weg, einerseits um Inzucht zu vermeiden, andererseits aus Platzgründen. Bei stark gefährdeten Tierarten gibt es ein Austauschprogramm unter den Tierparks und Zoos, und die Jungtiere werden zur Vermehrung im Rahmen des weltweiten Artenschutzprogramms weitervermittelt. Bei 70 % der Tiere handelt es sich aber nicht um stark gefährdete Arten und die meisten Zoos haben keinen Platz, weil sie selbst Nachwuchs züchten. Dazu kommt noch, dass viele Wildtiere sich nicht einfach in eine bestehende Gruppe eingliedern lassen. Wohin also mit den gross gewordenen Jungtieren? Können sie nicht platziert werden, kommt es häufig vor, dass die Tiere getötet oder an dubiose Händler weiterverkauft werden. Löwen beispielsweise lassen sich gut in Gefangenschaft vermehren. Muss ein gross gewordenes Jungtier dann den Zoo verlassen, heisst es häufig, es dürfe in einen Löwenpark nach Südafrika ziehen. In Wahrheit halten diese Löwenparks ihre Tiere aber für die umstrittene Gatterjagd, bei der Hobbyjäger wilde Tiere für Geld schiessen dürfen, um sie anschliessend als Trophäe nach Hause zu nehmen.

"Wir empfangen hier häufig auch Schulklassen, denn die heutigen Kinder werden unsere zukünftigen Tierschutzgesetze schreiben. Deswegen ist es wichtig, dass Kinder den Bezug zu Tieren haben, doch besonders in städtischen Gebieten kennen sie heutzutage meistens nur den Hund oder die Katze im Quartier, aber Schafe, Kühe oder Pferde? Fehlanzeige. Wildtiere kennen sie höchstens aus dem Zoo. Wie sollen diese zukünftigen Erwachsenen einmal entscheiden können, wie viel Platz einem Schaf im Stall zur Verfügung stehen sollte, oder ob es in Ordnung ist, dass ein Löwe im Zirkus durch einen Feuerring springen muss? Hier können sie die Tiere hautnah erleben".

"Wenn Du unseren Lesern zwei Dinge ans Herz legen könntest, was würdest Du ihnen sagen?"
Das ist meine letzte Frage an Anita, kurz bevor ich mich verabschiede. Sie muss nicht lange überlegen. "Erstens, dass sie sich vor der Anschaffung eines Tiers alle möglichen Szenarien überlegen sollen. Wie hoch ist die Lebenserwartung des Tiers, wie viel betragen die Unterhaltskosten und möglichen Tierarztkosten, wer übernimmt die Betreuung in den Ferien? Inklusive Notfallplan, falls ein unvorhersehbares Ereignis eintritt. Viele Tiere werden weggegeben und wenn man ein wenig nachforscht, erkennt man, dass es vorhersehbar und vermeidbar gewesen wäre, wenn der Besitzer bei der Anschaffung zu Ende gedacht hätte. Zweitens, dass sie die Augen offenhalten und bei Missständen nicht wegschauen sollen. Manchmal reicht es, mit dem Halter das Gespräch zu suchen, um für die Tiere eine Verbesserung zu bewirken. Häufig ist kein böser Wille dahinter, sondern einfach nur Unwissen".

Ich bedanke mich herzlich und verlasse Anita und ihren Mini Zoo mit dem guten Gefühl, das mich jedes Mal überkommt, wenn ich ein kleines Stück Tierparadies auf Erden besuchen durfte.

Mehr über den Mini Zoo Zahir und seine Bewohner erfährst Du hier:

www.zahir-arabians.com
www.facebook.com/anita.hirschi.5