Die stille Not verwilderter Katzenmütter

Datum: 06. October 2025
Autor:

Verwilderte Katzen vermehren sich rasant. Und Katzenmütter mitsamt ihren Jungen einzufangen, unterzubringen und zu kastrieren, ist eine besondere Herausforderung im Tierschutz. Doch der Aufwand lohnt sich, zumal sich wilde Katzen oft als sehr fürsorgliche Mütter erweisen.

Von Frühling bis Herbst verstecken sie sich überall – auf Heuböden, in Kellern, Scheunen, Gartenhäusern und sogar in Scheiterbeigen mitten im Wald: verwilderte oder ausgesetzte Katzenmütter, die verzweifelt versuchen, ihre Kleinen zu ernähren und vor unzähligen Gefahren zu schützen.

Gesehen werden diese verwilderten Katzenfamilien nicht immer. Oft ist es Zufall, wenn beispielsweise Hundehalter:innen beim Waldspaziergang spielende Katzenkinder entdecken. Bei der Tierschutzorganisation NetAP gehen laufend Meldungen über solche Sichtungen ein. Im Jahr 2024 waren es 83 Katzenmütter mit ihrem Nachwuchs. Dieses Jahr werden es sicher ebenso viele werden.

Tierheime fühlen sich überfordert

Verwilderte Katzenfamilien stellen die Katzenfänger:innen von NetAP jeweils vor grosse Herausforderungen. Denn für das Einfangen muss eine Futterstelle mit Überwachungskamera eingerichtet werden, um herauszufinden, um wie viele Katzen es sich handelt. Das setzt eine Bewilligung der Grundeigentümerschaft voraus. Auf öffentlichem Grund braucht es die Einwilligung der Jagdaufsicht. Selbstverständlich muss direkt bei der Futterstelle eine entsprechende Information angebracht werden.

Bevor es losgeht, muss geklärt werden, wo man die Familie anschliessend unterbringen kann. Dies erweist sich insbesondere in der Ferienzeit oft als grösstes Hindernis. Viele der ohnehin bereits überfüllten Tierheime nehmen keine verwilderten Mütter auf, weil die Betreuung sie überfordert. Die Familien müssen jedoch zusammenbleiben. Katzenkinder brauchen für eine gesunde Entwicklung in der Regel mindestens 12 Wochen ihre Mutter, noch besser sind 16 Wochen, wie eine finnische Studie feststellte. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Kätzchen Verhaltensauffälligkeiten entwickeln.

Trennung gefährdet Katzenmutter

Leider erleben wir immer wieder, dass nur die Katzenkinder eingefangen werden. Zurück bleibt eine verzweifelte Mutter, die im schlimmsten Fall einen Milchstau bekommt und daran stirbt. Überlebt sie, wird sie bald den nächsten Wurf haben und das ganze Leid erneut durchleben. Es ist deshalb wichtig, auch die Mütter einzufangen, medizinisch zu versorgen und zu kastrieren.

Katzenmütter arrangieren sich meist gut mit der Situation im Tierheim. Das zeigt die Geschichte von Indira. Indira wurde im Kanton Bern auf einem Parkplatz entdeckt. Die Polizei fing sie ein und brachte das Tier in eine Klinik. Diese meldete sich bei NetAP und bat uns, die Katze zu übernehmen. Sie greife sofort an, habe fünf Junge im Bauch und stehe kurz vor Niederkunft.

Gute Mutter – und gute Mauserin

Wir holten die wilde Katze umgehend ab und brachten sie in einem Zimmer unter, das wir mit einem Tuch in zwei Hälften unterteilten. Den hinteren Teil richteten wir mit Kratzbäumen und vielen Versteckmöglichkeiten ein. Im vorderen Teil hatten wir Katzenklo, Wasser und Futter bereitgestellt. Mit einer Überwachungskamera konnten wir Indira laufend beobachten, ohne dass wir sie stören mussten. Schliesslich gebar sie fünf Kätzchen. Wir liessen sie weiterhin in Ruhe. Nach gut drei Wochen zeigten sich die Kätzchen im vorderen Teil des Raums. Ab dann nahmen wir sie regelmässig heraus, um mit ihnen zu spielen und sie an Menschen zu gewöhnen. Indira liess uns gewähren. Nach 12 Wochen waren die Kleinen zu gesunden Kätzchen herangewachsen, die alle schnell ein neues Zuhause fanden.

Mama Indira durften wir kastriert und geimpft auf einem Bauernhof ansiedeln. Wir sind heute noch in Kontakt mit der Landwirtin, die grosse Freude an der guten Mauserin hat. Zwar wurde Indira nie zahm. Sie zeigt sich aber stets neugierig, kommt, wenn man sie ruft, und freut sich, wenn sie ein Leckerli erwartet. Sie war eine hervorragende Mutter. Nun aber darf sie sich voll und ganz auf ihre eigenen Bedürfnisse konzentrieren.

Über die Autorin

Esther Geisser ist Gründerin der Tierschutzorganisation Network for Animal Protection (NetAP).

NetAP ist eine international tätige Tierschutzorganisation. Sie arbeitet auch mit der Stiftung ProTier zusammen für die Kampagne «Hoffnung für heimatlose Katzen in der Schweiz». Einer ihrer Schwerpunkte ist die Kastration von verwilderten Katzen und Hunden. Seit der Gründung im Jahr 2008 hat NetAP mehr als 280 000 Katzen und Hunde in 17 Ländern kastriert.

Das macht ProTier für heimatlose Katzen

Seit mehr als 40 Jahren setzt sich ProTier für die Kastration verwilderter Katzen ein. Dieses Jahr richtet die Stiftung den Fokus auf Aufklärung und Sensibilisierung. Das sind die wichtigsten Aspekte der Kampagne:

Netzwerkaufbau: Aufbau einer schweizweiten Übersicht über Organisationen, die sich der Kastration heimatloser Katzen widmen. Das fördert Synergien.

Gezielte Aufklärungsarbeit: Nutzung diverser Kommunikationskanäle zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Finanzielle Anreize: Bereitstellung von Kastrationsgutscheinen für landwirtschaftliche Betriebe, um ganze Katzenkolonien zu kastrieren.

Spezifische Aufklärungskonzepte: Entwicklung und Umsetzung gezielter Informationskonzepte für Schrebergärten, Industrieareale und landwirtschaftliche Betriebe.

Spendeninitiative: Ausbau des Fonds «Heimatlose Katzen» zur Finanzierung weiterer Massnahmen und des Aufklärungskonzepts 2026.

Hier geht's zur Kampagne

Jetzt spenden

Unterstützen Sie uns auf dem Weg zu weniger Katzenleid

Mit Ihrem Beitrag an unseren Fonds für heimatlose Katzen ermöglichen Sie uns, das Engagement für weniger Katzenleid voranzutreiben und Landwirt:innen Gutscheine auszustellen.