Der Gegenvorschlag des Bundesrats zur Massentierhaltungsinitiative ist unbrauchbar

In seiner Botschaft zum direkten Gegenentwurf zur Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» räumt der Bundesrat zwar Handlungsbedarf in der Nutztierhaltung ein, klammert aber von vornherein über 90% der Tiere aus den neuen Regelungen aus.

 

26. Mai 2021

Der Bundesrat lehnt die Initiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» ab. Gleichzeitig nimmt er aber den Wunsch der Schweizer Bevölkerung nach mehr Tierwohl in der landwirtschaftlichen Tierhaltung wahr und bringt einen direkten Gegenentwurf zur Initiative. Aus Tierschutzsicht sind die Bemühungen des Bundesrats, «den Schutz des Wohlergehens für alle Tiere» in die Verfassung aufzunehmen, sehr begrüssenswert. Allerdings lässt der Entwurf zentrale Anliegen der Initiative ausser Acht und klammert von vornherein Mastpoulets, die über 90% der betroffenen Tiere ausmachen und die fast ausschliesslich in Massentierhaltung leben müssen, aus den verbesserten Richtlinien aus.

Der Gegenentwurf beschränkt sich darauf, einige Mindeststandards zu erhöhen. Er will «Kriterien für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, für regelmässigen Auslauf und eine schonende Schlachtung» in der Verfassung aufnehmen. «Bei der Schlachtung sollen Schmerzen, Leid und Angst mit allen möglichen und zumutbaren Mitteln vermieden werden». Wie das genau aussehen soll, wird allerdings offengelassen und durch die schwammige Formulierung werden lediglich die Grundsätze des bereits heute geltenden Tierschutzgesetzes zementiert. Der Gegenentwurf führt zu keiner echten Verbesserung für die Tiere in der Nutztierhaltung und wie bereits erwähnt, sind die über 75 Millionen Tiere in der Hühnermast davon ausgeschlossen.

Besonders stossend ist die Behauptung des Bundesrats, mit dem bestehenden Tierschutzgesetz sei Massentierhaltung bereits heute verboten und daher sei es unnötig, die Gruppengrössen in der Nutztierhaltung nach unten zu korrigieren. Nach heutigem Gesetz sind Geflügelhaltungen mit bis zu 18'000 Tieren erlaubt. Das Wohl des einzelnen Tieres kann in solchen Haltungssystemen unmöglich gewahrt werden und der Tod der schwächsten Tiere wird mit einer einkalkulierten Mortalitätsrate von 4% aus wirtschaftlichen Gründen in Kauf genommen.

Der Bundesrat spricht sich auch dagegen aus, den Standard der privaten Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 in die Verfassung aufzunehmen, da sie nach der Übergangsfrist von 25 Jahren bereits überholt wären. Die Initiative fordert aber explizit Richtlinien, die mindestens den Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen. Dies als Schutz vor einer Verwässerung zum Zeitpunkt der Umsetzung und nicht als oberstes Ziel.

Eine Regelung der Importe ist im Gegenentwurf ebenfalls nicht vorgesehen. Somit müssten die Schweizer Bauern weiterhin mit billigen Importen konkurrieren, während ihre eigenen Produktionskosten erhöht würden. Das würde die Schweizer Landwirtschaft unnötig schwächen.

Der Gegenentwurf des Bundesrats ist aus Tierschutzsicht keine Alternative zur Initiative, allein schon deshalb, weil eine ganze Kategorie von Tieren aus der neuen Regelung komplett ausgeschlossen wird. Auch die Schwächung der Schweizer Bauern ist nicht im Sinne der Initiant*innen.