«Eudaimonia nochmal!»

Gastbeitrag von Robert Rauschmeier

Bei den alten Griechen gab es zwei grundlegend entgegengesetzte Einstellungen gegenüber dem Leben und zur Lebensführung: Hedonismus versus Eudaimonia. Hedonismus meint eine Einstellung, die grob gesagt zum Ziel hat, einfach die eigene Freude und Lust zu befriedigen. Der Mensch mit dieser Lebenseinstellung geht seinem Vergnügen nach, sucht nach sinnlichen Genüssen und möchte seine Bedürfnisse befriedigt wissen. Es geht darum, die eigene Lust zu steigern und Schmerzen zu vermeiden.

Der Begriff Eudaimonia bildet sich aus den zwei Wörtern Eu, was so viel wie gut meint, und Daimon, was so viel wie Dämon oder Geist meint. Zusammengenommen also guter Dämon oder Geist. Und in der Tat geht es bei Eudaimonia um das Glückserleben im Angesicht der eigenen Werte und Geisteshaltung. Unsere Gesellschaft orientiert sich nach wie vor mehr am Hedonismus, da sie vor allem sehr materialistisch und konsumsüchtig zur eigenen Lustbefriedigung handelt. Dass dieser Grundhaltung im 21. Jahrhundert endlich eine Abfuhr erteilt werden sollte, wird mehr als klar, wenn wir die Probleme erkennen, die diese egoistische und individuelle Luststeigerung ohne Rücksicht auf Mitmenschen, andere Spezies und die Natur mit sich bringt.

Das sogenannte eudaimonische Wohlbefinden könnte ein wichtiger Schlüssel und Meilenstein für unser kollektives Selbstverständnis sein – und was Tier- und Naturschutz angeht, eine überlebensfähige Neuorientierung.

Was meint nun Eudaimonia genau? Zentrale Elemente sind: Authentizität, Sinn, Exzellenz und Entwicklung. Unter den Aspekt Authentizität fällt das bewusste Handeln im Einklang und in Verbindung mit eigenen Werten und sich selbst. Der Sinn beinhaltet, das Grosse und Ganze zu betrachten, den Lebenssinn, wichtige Ziele, die man verfolgt. Dies meint auch, dass alle etwas dazu beitragen können, um das grosse Ganze zu verändern. Will man sein eigenes Verhalten und die eigenen Leistungen zum Besseren führen, spricht man die Exzellenz an. Dabei zählen die Anstrengungen und Bemühungen mehr als die Zielerreichung. Zur Entwicklung zählen unter dem eudaimonischen Aspekt lebenslanges Lernen, persönliche Entwicklung und Entfaltung der eigenen Potenziale.

 

Zentrale Elemente sind: Authentizität, Sinn, Exzellenz und Entwicklung.

Untersuchungen aus den letzten zehn Jahren weisen nun sogar bis zu unseren Genen nach, dass Menschen mit einer eudaimonischen, sinngeleiteten, menschen- und tierfreundlichen und naturverbundenen, lebensbejahenden Einstellung verminderte Aktivitäten der sogenannten Risikogene aufweisen. Also eine Verminderung von Gen-Aktivierungsmustern, die ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Krebs- und Demenzerkrankungen zeigen. Identifiziert wurden 53 Risikogene. Diese, aktiviert, bauen bestimmte Eiweisse, die dann als Botenstoffe Entzündungen befördern. Entzündungen sind eine normale Abwehrreaktion auf Bedrohungen und Schädigungen.

Gefährlich werden sie dann, wenn sie bleibend anwachsen, chronisch, also langanhaltend und sogar dauerhaft aktiviert bleiben, sich als Entzündungsherde im Körper ausbreiten und dann zu chronischen Krankheiten führen. Risikogene werden immer dann aktiviert, wenn Menschen beispielsweise rauchen, Alkohol trinken, stark verarbeitete Lebensmittel verspeisen, viel rotes Fleisch konsumieren und sich zu wenig bewegen.

Was für eine gute Botschaft: Leben wir tier- und klimafreundlich, gehen mehr zu Fuss, benutzen das Fahrrad, treiben regelmässig moderaten Sport und konsumieren tierfreundlicher, tragen wir automatisch zu einer eudaimonischen Lebensführung bei. Damit nützen wir nicht nur unserer eigenen Genetik, wir schützen auch andere und unseren Planeten. Und doppelt geschützt ist man auch noch, wenn man sich dessen bewusst ist, und eine entsprechende Geisteshaltung einnimmt, die eben Menschen-, Tier- und Naturschutz vereint.

Noch einmal: Eudaimonia ist die bestmögliche, positive, gesundheitsförderliche sowie tier- und naturschutzverbundene Lebensführung, die Menschen einnehmen und ausüben können. Sie ist lebensbejahend, sinnstiftend und weist uns den Weg, etwas Grösseres als uns selbst anzuerkennen: unsere tier- und naturfreundlichen Werte.

Wagen wir den kollektiven Sprung ins Eudaimonische in unserer Gesellschaft und entscheiden uns dafür.